
Die Umstellung auf Kleinladungsträger (KLT) ist keine reine Behälterwahl, sondern eine strategische Entscheidung über die Prozessintegrität und Gesamtkosten Ihrer gesamten automatisierten Intralogistik.
- Kartonverpackungen verursachen systemische Kosten durch Staub, Verformung und Maschinenstillstände, die in der Anschaffung unsichtbar sind.
- Die wahre Effizienz von KLT-Systemen zeigt sich erst durch die professionelle Orchestrierung des Leergut-Kreislaufs, inklusive Reinigung und Transport.
- Die Wahl zwischen Kauf und Miete (Pooling) ist keine Preisfrage, sondern hängt von Umlaufmengen, Saisonalität und spezifischen Hygieneanforderungen ab.
Empfehlung: Führen Sie eine Total-Cost-of-Ownership-Analyse (TCO) durch, die über den reinen Behälterpreis hinausgeht und die Kosten für Stillstand, Handling, Reinigung und Entsorgung über den gesamten Lebenszyklus quantifiziert.
In den hochautomatisierten Logistikzentren der Schweiz, wo Präzision und Taktzeit den Takt vorgeben, ist der kleinste Fehler oft der teuerste. Stellen Sie sich vor: Ihr brandneues Shuttle-Lager oder Ihre Roboter-Greifzelle stoppt. Der Grund? Kein komplexer Softwarefehler, sondern ein simpler Wellpappkarton, der sich unter Last verformt hat oder dessen Staubpartikel einen Sensor blockieren. Dieses Szenario ist für Prozessingenieure mehr als nur ein Ärgernis; es ist ein Symptom für eine tiefgreifendere Ineffizienz, die in der traditionellen Verpackungswahl wurzelt.
Die naheliegende Antwort vieler Unternehmen ist der Wechsel zu standardisierten Kunststoffbehältern, den sogenannten Kleinladungsträgern (KLT). Doch dieser Schritt allein kratzt nur an der Oberfläche. Die blosse Substitution von Karton durch Plastik ignoriert die fundamentalen Unterschiede und das immense Optimierungspotenzial, das in einem ganzheitlichen KLT-System steckt. Es geht nicht nur um einen robusteren Behälter; es geht um die Schaffung eines geschlossenen, intelligenten und vollständig kontrollierbaren Materialkreislaufs, der perfekt auf die Anforderungen der Automatisierung 4.0 im anspruchsvollen Schweizer Marktumfeld zugeschnitten ist.
Aber wenn die wahre Revolution nicht im Behälter selbst liegt, worin dann? Die Antwort ist die meisterhafte Orchestrierung des gesamten Kreislaufs. Der eigentliche Wert eines KLT-Systems entsteht erst, wenn man die Logistik der leeren Behälter, die Reinigungsprozesse, die dauerhafte Datenintegration und die perfekten Schnittstellen zur Palettenlogistik als ein zusammenhängendes System betrachtet und optimiert. Dies erfordert ein Umdenken: weg von der reinen Kostenbetrachtung pro Verpackungseinheit, hin zu einer strategischen Analyse der Prozessintegrität und der systemischen Gesamtkosten (Total Cost of Ownership).
Dieser Artikel führt Sie durch genau diese systemische Perspektive. Wir analysieren, warum Kartons in modernen Lagern versagen, decken die oft übersehenen Kosten der Leergutlogistik auf, vergleichen Kauf- und Pool-Modelle für den Schweizer Markt und zeigen, wie KLTs zu intelligenten Datenträgern werden, die Ihre Intralogistik tatsächlich beschleunigen und zukunftssicher machen.
Um die Komplexität dieses Themas zu strukturieren und Ihnen einen klaren Weg durch die strategischen Entscheidungen zu bieten, gliedert sich dieser Leitfaden in mehrere Kernbereiche. Die folgende Übersicht zeigt die logische Abfolge unserer Analyse, von den fundamentalen Schwächen traditioneller Lösungen bis hin zur Integration in das grosse Ganze der Palettenlogistik.
Sommaire : Ein systemischer Leitfaden zur KLT-Implementierung in der Schweizer Intralogistik
- Warum Kartons im automatischen Lager versagen und Kunststoffbehälter gewinnen
- Was kostet die Logistik der leeren Kisten und wer wäscht sie?
- Wie steigern stapelbare Boxen die Auslastung Ihres Transporters um 30%?
- Kaufen oder Mieten: Wann lohnt sich der Beitritt zu einem Behälter-Pool (z.B. IFCO)?
- In-Mold-Labeling: Wie machen Sie Kunststoffkisten dauerhaft scannbar?
- Headset oder Lämpchen: Welche Technologie macht Ihre Mitarbeiter schneller?
- Doppelspiele pro Stunde: Schafft das Lager wirklich die versprochene Leistung?
- Das Europaletten-Dilemma: Tauschen, Kaufen oder Einweg nutzen?
Warum Kartons im automatischen Lager versagen und Kunststoffbehälter gewinnen
Der Hauptgrund für das Versagen von Kartonverpackungen in automatisierten Umgebungen liegt in ihrer mangelnden physischen Konsistenz und Formstabilität. Während ein Kunststoff-KLT ein präzise gefertigtes Werkstück mit minimalen Toleranzen ist, ist ein Wellpappkarton ein variables Naturprodukt. Luftfeuchtigkeit, Stapeldruck und Alterung verändern seine Dimensionen und Festigkeit. Für einen Roboterarm, der auf Millisekunden und Millimeter getaktet ist, sind diese Abweichungen eine ständige Fehlerquelle. Ein leicht durchhängender Boden kann dazu führen, dass ein Shuttle den Behälter nicht korrekt aufnehmen kann, was zu einem sofortigen Stopp der gesamten Gasse führt.
Ein weiterer kritischer Faktor sind die versteckten systemischen Kosten, die durch Kartonagen entstehen. Dazu gehört an erster Stelle die Kontamination durch Staub und Partikel. Jede Bewegung, jeder Schnitt und jede Faltung eines Kartons setzt feine Papierfasern frei. Diese lagern sich auf Sensoren, Scannern und in den mechanischen Komponenten Ihrer Fördertechnik ab. Die Folge sind unzuverlässige Lesevorgänge, erhöhter Wartungsaufwand und eine schleichende Reduzierung der Anlagenverfügbarkeit. Im Hochlohnland Schweiz, wo jede Minute Maschinenstillstand teuer ist, wird dieser „günstige“ Einweg-Karton schnell zu einem massiven Kostentreiber.
Kunststoffbehälter eliminieren diese Probleme an der Wurzel. Sie bieten eine dauerhaft gleichbleibende Geometrie, was die Prozess-Integrität sicherstellt. Greifer und Fördersysteme können sich auf exakt definierte Aufnahmepunkte verlassen, was die Taktzeiten erhöht und Fehlerquoten minimiert. Da KLT aus einem einzigen Guss bestehen, generieren sie keinen Abrieb. Die Umgebung bleibt sauber, die Sensoren zuverlässig und die Wartungsintervalle können verlängert werden. Dieser Sprung in der Zuverlässigkeit ist kein kleiner Vorteil, sondern die Grundvoraussetzung, um das volle Potenzial einer teuren Automatisierungsanlage überhaupt erst auszuschöpfen.
Was kostet die Logistik der leeren Kisten und wer wäscht sie?
Mit der Entscheidung für wiederverwendbare KLT beginnt eine neue logistische Disziplin: die Kreislauf-Orchestrierung. Der Kreislauf eines KLT besteht nicht nur aus dem Hintransport der Ware, sondern auch aus dem Rücktransport, der Lagerung und vor allem der Reinigung des Leerguts. Diese „leere“ Seite der Logistik wird in der Kostenrechnung oft vernachlässigt, macht aber einen signifikanten Teil der Total Cost of Ownership (TCO) aus. Die zentrale Frage lautet: Wer kümmert sich um die leeren, oft verschmutzten Behälter und stellt sicher, dass sie in hygienisch einwandfreiem Zustand wieder in den Prozess eingeschleust werden?
Die Reinigung ist dabei der kritischste Schritt. Besonders in Branchen wie Automotive, Pharma oder Lebensmittel, wo Öle, Fette oder organische Rückstände anfallen, ist eine professionelle Reinigung unerlässlich. Eine einfache manuelle Reinigung reicht hier bei Weitem nicht aus. Es bedarf industrieller Waschanlagen, die mit hohem Druck und spezifischen Reinigungsmitteln arbeiten, um eine garantierte Sauberkeit zu erzielen. Diese Anlagen stellen eine erhebliche Investition dar und benötigen Platz, Energie und geschultes Personal.

Für viele Unternehmen in der Schweiz ist der Aufbau einer eigenen, professionellen Reinigungsstrasse nicht wirtschaftlich. Hier kommen spezialisierte Dienstleister ins Spiel. Als konkretes Beispiel bietet die Scheerer KLT-Reinigung in der DACH-Region solche Services an. Sie nutzen industrielle Durchlaufanlagen, die eine rückstandslose Entfernung von Ölen, Fetten und sogar hartnäckigen Etiketten garantieren. Solche Partner übernehmen nicht nur die Reinigung, sondern oft auch die gesamte Leergutlogistik, inklusive Abholung und termingerechter Zustellung der sauberen Behälter. Die Auslagerung dieses Prozesses wandelt hohe Fixkosten in variable, nutzungsabhängige Kosten um und sichert gleichzeitig einen professionellen Hygienestandard.
Wie steigern stapelbare Boxen die Auslastung Ihres Transporters um 30%?
Die Effizienz von Kleinladungsträgern endet nicht am Lagertor; sie setzt sich im Transport fort. Einer der signifikantesten Vorteile von KLT gegenüber unförmigen Kartons ist ihre perfekte Stapelbarkeit und ihr genormtes Rastermass. KLT sind so konzipiert, dass sie formschlüssig und ohne Platzverlust auf Europaletten (1200×800 mm) passen. Diese geometrische Perfektion ermöglicht eine maximale Ausnutzung des Ladevolumens in LKW und Transportern. Wo Kartons unterschiedlicher Grösse zu Hohlräumen und instabilen Stapeln führen, schaffen KLT eine homogene, stabile Ladeeinheit, die den verfügbaren Raum bis zum letzten Kubikzentimeter füllt. Diese optimierte Raumnutzung kann die Ladekapazität pro Fahrt um bis zu 30% erhöhen.
Diese Effizienzsteigerung hat direkte finanzielle und ökologische Auswirkungen. Weniger Fahrten bedeuten geringere Transportkosten, weniger Personalaufwand und eine Reduzierung des CO2-Ausstosses. In einem Land mit hohem Kosten- und Umweltbewusstsein wie der Schweiz ist dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Die Reduktion von LKW-Fahrten trägt direkt zur Verringerung der insgesamt 41,6 Millionen Tonnen CO2-Emissionen bei, die der Schweizer Güterverkehr jährlich verursacht, und unterstützt damit die Erreichung von ESG-Zielen (Environmental, Social, Governance).
Die direkten Kosten- und Leistungsvorteile werden bei einem Vergleich der Spezifikationen deutlich. Während ein Karton eine Einweglösung ist, sind KLT für einen langen Lebenszyklus von über 100 Umläufen ausgelegt. Die folgende Tabelle, basierend auf Daten von Schweizer Anbietern, verdeutlicht die Unterschiede in den Kernkennzahlen.
| Eigenschaft | Wellkarton-KLT | Kunststoff-KLT |
|---|---|---|
| Anschaffungskosten | CHF 3.49+ pro Stück | CHF 10.30+ pro Stück |
| Lebensdauer | Einweg | 100+ Umläufe |
| Flächenlast | 15 kg | 20-500 kg |
| Recyclingfähigkeit | 100% (FSC-zertifiziert) | 100% (PP-Material) |
| Reinigungskosten | Keine (Einweg) | CHF 0.50-2.00 pro Reinigung |
Diese Gegenüberstellung zeigt, dass die höheren Anschaffungskosten des Kunststoff-KLT durch seine extreme Langlebigkeit und höhere Belastbarkeit über den Lebenszyklus mehr als kompensiert werden. Die Entscheidung wird so von einer reinen Preisfrage zu einer Investitionsrechnung.
Kaufen oder Mieten: Wann lohnt sich der Beitritt zu einem Behälter-Pool (z.B. IFCO)?
Sobald die Entscheidung für ein KLT-System gefallen ist, stellt sich für den Prozessingenieur die nächste strategische Frage: Sollen die Behälter gekauft und als Eigentum verwaltet werden oder ist der Beitritt zu einem Miet-Pool die bessere Option? Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Kapitalbindung, Flexibilität und operativen Aufwand. Es gibt keine pauschal richtige Antwort; die optimale Lösung hängt stark vom spezifischen Anforderungsprofil des Unternehmens ab.
Wie Thomas Friedli vom Institut für Supply Chain Management an der Universität St. Gallen treffend bemerkt, ist die Schweiz ein „Eldorado für Automatisierung“. In diesem Kontext ist die Wahl des Beschaffungsmodells eine strategische Weichenstellung. In seiner Analyse zur Logistikmarktstudie Schweiz 2024 betont er die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Marktbeobachtung und Bewertung, was auch für Behältersysteme gilt.
Die Schweiz als Eldorado für Automatisierung in der Lagerlogistik – kontinuierliche Marktbeobachtung und Bewertung sind essentiell.
– Thomas Friedli, Institut für Supply Chain Management, Uni St. Gallen
Der Kauf von KLT ist oft die erste Wahl für Unternehmen mit einem sehr stabilen und hohen Behälterumlauf in einem geschlossenen Kreislauf (z.B. zwischen wenigen Produktionsstandorten und einem Zentrallager). Der Vorteil liegt in der vollen Kontrolle über Bestand, Qualität und Sauberkeit. Dies ist besonders wichtig, wenn spezifische Hygieneanforderungen (z.B. in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie) eine lückenlose Dokumentation des Reinigungszyklus erfordern. Der Nachteil ist die hohe Kapitalbindung und die Notwendigkeit, eigene Kapazitäten für Lagerung, Verwaltung und Reinigung des Leerguts vorzuhalten.
Der Beitritt zu einem Behälter-Pool (Mietmodell), wie es von Anbietern wie IFCO, CHEP oder kleineren regionalen Playern angeboten wird, verwandelt diese Fixkosten in variable Kosten. Man zahlt pro Umlauf oder pro Tag. Der grösste Vorteil ist die enorme Flexibilität. Saisonale Spitzen können ohne den Kauf tausender zusätzlicher Behälter abgedeckt werden. Der Pool-Anbieter kümmert sich um die gesamte Leergutlogistik, inklusive Reinigung, Reparatur und Bereitstellung an jedem gewünschten Ort. Dies ist ideal für Unternehmen mit komplexen, internationalen Lieferketten oder stark schwankendem Bedarf. Der Nachteil kann eine geringere Kontrolle über die spezifische Behälterqualität sein.
Ihre Checkliste zur Entscheidung: KLT-Pool vs. Kauf für Schweizer KMU
- Umlaufvolumen analysieren: Liegt Ihr Jahresumlauf konstant unter 10.000 Behältern? Dann ist der Kauf meist wirtschaftlicher.
- Saisonalität bewerten: Haben Sie saisonale Spitzen, die über 30% Ihres Durchschnittsbedarfs liegen? Ein Pool-System bietet hier die nötige Flexibilität.
- Lieferketten-Komplexität prüfen: Operieren Sie mit vielen Partnern in internationalen Lieferketten? Ein Pool erleichtert den grenzüberschreitenden Tausch erheblich.
- Hygiene- und Qualitätsanforderungen definieren: Benötigen Sie eine lückenlos dokumentierte Reinigung nach höchsten Standards (z.B. für Pharma/Food)? Eigene Behälter bieten maximale Kontrolle.
- Lagerkapazität für Leergut kalkulieren: Ist Ihre Lagerfläche unter 500m² stark begrenzt? Die Auslagerung der Leergutlagerung an einen Pool-Anbieter kann wertvollen Platz schaffen.
In-Mold-Labeling: Wie machen Sie Kunststoffkisten dauerhaft scannbar?
Ein KLT ist mehr als nur eine Kiste; im Kontext der Industrie 4.0 wird er zum physischen Anker für Daten – ein intelligenter Datenträger. Die Fähigkeit, jeden einzelnen Behälter jederzeit und zweifelsfrei zu identifizieren, ist die Grundlage für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit, eine automatisierte Bestandsführung und eine datengesteuerte Prozessoptimierung. Doch die Kennzeichnung stellt eine grosse Herausforderung dar: Aufgeklebte Papier- oder Folienetiketten lösen sich in industriellen Reinigungsprozessen ab, werden durch Abrieb unleserlich oder fallen bei Temperaturschwankungen ab. Jeder nicht scannbare Behälter bedeutet einen manuellen Eingriff und unterbricht den automatisierten Fluss.
Die technologische Antwort auf dieses Problem ist das In-Mold-Labeling (IML). Bei diesem Verfahren wird ein bedrucktes Polypropylen-Label direkt in das Spritzgusswerkzeug des KLT eingelegt. Während des Spritzgussprozesses verschmilzt das Label untrennbar mit dem Kunststoff des Behälters. Das Ergebnis ist eine Kennzeichnung, die genauso robust und langlebig ist wie der Behälter selbst. Sie ist resistent gegen Abrieb, Feuchtigkeit, Chemikalien und die Strapazen industrieller Waschanlagen. Barcodes, QR-Codes oder auch RFID-Transponder können so dauerhaft und fälschungssicher integriert werden.

Ein führendes Schweizer Unternehmen in diesem Bereich ist die Georg Utz AG, die sich auf die Produktion von KLT-Systemen nach VDA-Norm spezialisiert hat. Sie bieten eine breite Palette von KLT-Varianten an, die bereits ab Werk mit IML-Technologie ausgestattet werden können. Dies stellt sicher, dass die Behälter vom ersten Tag an eine hundertprozentige Lesbarkeit in automatisierten Systemen aufweisen. Für Prozessingenieure bedeutet dies das Ende von Lesefehlern und eine massive Steigerung der Prozessintegrität. Der Behälter wird von einem passiven Transportmittel zu einem aktiven Informationsträger im digitalen Ökosystem des Lagers.
Headset oder Lämpchen: Welche Technologie macht Ihre Mitarbeiter schneller?
Während die vollständige Automatisierung das langfristige Ziel sein mag, bleibt der Mensch in vielen Kommissionierprozessen ein zentraler und flexibler Faktor. Die Frage ist also: Wie kann Technologie die menschliche Arbeit optimal unterstützen, um Geschwindigkeit und Genauigkeit zu maximieren? Die klassischen beleglosen Kommissionierverfahren sind Pick-by-Light und Pick-by-Voice. Bei Pick-by-Light leuchtet ein Lämpchen am korrekten Entnahmefach auf und zeigt dem Mitarbeiter zudem die zu entnehmende Menge an. Bei Pick-by-Voice erhält der Mitarbeiter seine Anweisungen über ein Headset und bestätigt die Entnahme per Sprachbefehl. Beide Systeme steigern die Effizienz im Vergleich zur papierbasierten Kommissionierung erheblich, indem sie die Suchzeiten reduzieren und die Hände für die eigentliche Arbeit freihalten.
Die Wahl zwischen den beiden Systemen hängt vom Anwendungsfall ab. Pick-by-Light glänzt bei hohen Pick-Dichten auf engem Raum (viele verschiedene Artikel in einem Regalabschnitt) und ist sehr intuitiv, was eine kurze Einarbeitungszeit bedeutet. Pick-by-Voice ist flexibler bei grösseren Laufwegen und eignet sich gut für Umgebungen mit wechselnden Lagerlayouts, da es nicht an feste Installationen am Regal gebunden ist.
Doch die technologische Entwicklung geht bereits einen Schritt weiter. Anstatt den Menschen zum Behälter zu bringen, bringen innovative Systeme den Behälter zum Menschen – oder ersetzen den Transportweg komplett durch autonome Fahrzeuge. Ein fortschrittliches Beispiel sind fahrerlose KLT-Transportsysteme. Solche Lösungen, wie das ID.ADD-System von IDENTYTEC, ersetzen starre Routenzüge durch eine Flotte von autonomen mobilen Robotern (AMRs). Diese ermitteln den Materialbedarf an den Produktionslinien oder Kommissionierplätzen in Echtzeit und transportieren einzelne KLT vollautomatisch vom Lager zum Arbeitsplatz und zurück. Dies revolutioniert den internen Materialfluss, reduziert Wartezeiten und ermöglicht eine hochflexible, bedarfsgesteuerte Versorgung, die weit über die Effizienzsteigerung einzelner Kommissionier-Methoden hinausgeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die systemischen Kosten von Kartonverpackungen (Staub, Verformung, Stillstand) übersteigen oft deren niedrige Anschaffungskosten in automatisierten Lagern.
- Eine professionelle Leergutlogistik, insbesondere die industrielle Reinigung, ist ein kritischer und oft unterschätzter Kosten- und Qualitätsfaktor im KLT-Kreislauf.
- Die Entscheidung zwischen Kauf und Miete (Pooling) von KLT ist strategisch und hängt von Umlaufvolumen, Saisonalität und spezifischen Hygieneanforderungen ab.
Doppelspiele pro Stunde: Schafft das Lager wirklich die versprochene Leistung?
Die beeindruckenden Leistungsdaten, die Anbieter von Automatisierungslösungen in ihren Broschüren versprechen – oft ausgedrückt in Kennzahlen wie „Doppelspiele pro Stunde“ für ein Regalbediengerät – sind theoretische Maximalwerte. Als Prozessingenieur wissen Sie, dass die Realität komplexer ist. Die tatsächlich erreichte Lagerleistung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: der Auslastung, der Artikelverteilung (ABC-Analyse), der Auftragsstruktur und der Zuverlässigkeit aller beteiligten Komponenten. Die entscheidende Frage ist daher: Wie können Sie die versprochene Leistung validieren und die tatsächliche Effizienz Ihres Systems messen und optimieren?
Der Schlüssel liegt in der Implementierung eines robusten Kennzahlensystems (KPIs), das über die reine Durchsatzmessung hinausgeht. Eine zentrale Metrik ist die Overall Equipment Effectiveness (OEE), adaptiert für die Logistik. Sie misst nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Verfügbarkeit (Wie oft steht die Anlage still?) und die Qualität (Wie hoch ist die Fehlerrate bei Picks?). Nur das Zusammenspiel dieser drei Faktoren ergibt ein realistisches Bild der wahren Performance. Ein System, das zwar hohe Taktzahlen erreicht, aber häufig wegen kleiner Störungen steht, ist in der Praxis weniger leistungsfähig als ein etwas langsameres, aber dafür extrem zuverlässiges System.
Um die eigene Leistung einordnen zu können, sind Benchmarks aus der Praxis hilfreich. Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über typische Durchsatzwerte verschiedener Kommissioniersysteme und deren Amortisationszeit, was eine erste Einordnung der eigenen Performance im Vergleich zu alternativen Systemen ermöglicht.
| System | Durchsatz/h | Investition | ROI |
|---|---|---|---|
| Manuelles System | 80-120 Picks | Niedrig | – |
| Pick-by-Light | 200-250 Picks | Mittel | 1-2 Jahre |
| Pick-by-Voice | 180-220 Picks | Mittel | 1.5-2.5 Jahre |
| Vollautomatisiert (AGV) | 300-400 Picks | Hoch | 3-5 Jahre |
Die Überprüfung dieser KPIs sollte kontinuierlich erfolgen. Ein modernes Lagerverwaltungssystem (LVS) oder Warehouse Control System (WCS) bietet Dashboards, die diese Daten in Echtzeit visualisieren. So können Abweichungen sofort erkannt und die Ursachen analysiert werden, anstatt sich auf die theoretischen Maximalwerte des Anlagenherstellers zu verlassen.
Das Europaletten-Dilemma: Tauschen, Kaufen oder Einweg nutzen?
Die Optimierung mit Kleinladungsträgern findet nicht im luftleeren Raum statt. KLT sind das „Kleingeld“ der Intralogistik, doch die „Banknote“ bleibt die Europalette. Die grosse Herausforderung besteht darin, eine nahtlose Schnittstelle zwischen der KLT- und der Palettenwelt zu schaffen. Das klassische Dilemma rund um die Europalette – Tauschen im offenen Pool, Kaufen und als Eigentum verwalten oder auf Einwegpaletten ausweichen – erhält durch die Automatisierung eine neue Dimension. Eine beschädigte oder nicht normgerechte Palette kann ein vollautomatisches Hochregallager genauso lahmlegen wie ein fehlerhafter KLT.
Im Kontext der KLT-Logistik ist die Qualität der Palette, auf der die Behälter transportiert und gelagert werden, von entscheidender Bedeutung. Moderne Automatisierungslösungen, wie sie auf Messen wie der LogiMAT präsentiert werden, fokussieren sich zunehmend auf diesen Übergang. So zeigte beispielsweise die Trapo GmbH ein innovatives Portalsystem, das KLT-Behälter vollautomatisch palettiert und depalettiert. Solche Systeme können mehrere Kisten gleichzeitig greifen und präzise auf einer Palette absetzen oder von dieser auf eine Fördertechnik umsetzen. Voraussetzung dafür ist jedoch immer eine Palette in einwandfreiem Zustand.
Für Unternehmen in der Schweiz, die auf KLT-Systeme setzen, bedeutet dies, dass die Palettenstrategie synchron zur KLT-Strategie entwickelt werden muss. Der Beitritt zum offiziellen EPAL-Tauschpool bietet den Vorteil einer garantierten Qualität, kann aber administrativ aufwendig sein. Der Kauf von eigenen Paletten gibt die volle Kontrolle, führt aber zu ähnlichen Leergut-Herausforderungen wie bei KLT. Einwegpaletten vermeiden das Tausch- und Rückführungsproblem, sind aber aus ökologischer und oft auch aus Kostensicht problematisch und für schwere Lasten in Hochregallagern ungeeignet.
Die Lösung liegt oft in einem hybriden Ansatz und vor allem in einer klaren Definition der Qualitätsanforderungen an der Schnittstelle zur Automatisierung. Für den internen, hochautomatisierten Bereich werden oft nur neue oder neuwertige Paletten aus einem geschlossenen Pool verwendet, während für den Warenausgang auf Tauschpaletten zurückgegriffen wird. Die Orchestrierung dieser beiden Ladungsträgersysteme ist die Königsdisziplin der modernen Intralogistik.
Die Transformation Ihrer Intralogistik durch KLT ist somit ein Projekt, das eine ganzheitliche Sicht erfordert. Es geht darum, über den Tellerrand des einzelnen Behälters hinauszublicken und den gesamten Material- und Informationsfluss als ein integriertes System zu verstehen und zu gestalten. Um die Weichen für Ihr Unternehmen richtig zu stellen, ist der nächste logische Schritt eine detaillierte Analyse Ihrer spezifischen Prozesse und Kostenstrukturen.