
Wahre Resilienz in der Lieferkette entsteht nicht durch die Suche nach neuen Lieferanten, sondern durch die forensische Prüfung Ihrer bestehenden Partner.
- Die grössten Gefahren sind oft „stille Risiken“: finanzielle Instabilität, vertragliche Fallstricke und unbemerkte Cyber-Schwachstellen.
- Ein systematischer Audit-Prozess deckt diese versteckten Bedrohungen auf, bevor sie zu einem katastrophalen Ausfall führen.
Empfehlung: Implementieren Sie einen kontinuierlichen Audit-Prozess für Ihre Schlüsselpartner, der Finanzen, Verträge und IT-Sicherheit umfasst, um Ihre operative Resilienz proaktiv zu stärken.
Stellen Sie sich das Horrorszenario für jeden Einkaufsleiter vor: Ein Anruf am Montagmorgen informiert Sie, dass Ihr wichtigster, über Jahre etablierter Hauptlieferant Insolvenz angemeldet hat. Die Produktion steht still, die Aufträge stauen sich – ein klassischer Fall eines «Single Point of Failure», der die gesamte Wertschöpfungskette lahmlegt. In der heutigen, von Volatilität geprägten Welt ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses höher denn je.
Die gängigen Ratschläge sind bekannt und werden oft wiederholt: diversifizieren Sie Ihre Lieferantenbasis, erhöhen Sie die Lagerbestände. Doch diese Massnahmen greifen oft zu kurz, binden wertvolles Kapital und bekämpfen nur die Symptome, nicht die Ursachen. Sie adressieren die offensichtlichen Risiken, übersehen aber die weitaus gefährlicheren, stillen Bedrohungen, die unbemerkt in den Fundamenten Ihrer Geschäftsbeziehungen schlummern.
Was wäre, wenn der Schlüssel zur Absicherung nicht in der ständigen Suche nach Alternativen, sondern in einer tiefgehenden, forensischen Prüfung Ihrer bestehenden Partner liegt? Wahre Resilienz bedeutet, die finanzielle Fragilität, die vertraglichen Fallstricke und die digitalen Schwachstellen zu erkennen, bevor sie zu einer existenzbedrohenden Krise werden. Es geht darum, vom reaktiven Krisenmanagement zu einem proaktiven Resilienz-Audit überzugehen.
Dieser Leitfaden ist Ihr Handbuch für einen solchen Audit. Wir werden nicht an der Oberfläche kratzen, sondern gezielt die kritischen Schwachpunkte analysieren, die in den Bilanzen, den AGB und den IT-Systemen Ihrer Dienstleister verborgen sind. Wir geben Ihnen die Werkzeuge an die Hand, um als Auditor Ihrer eigenen Lieferkette zu agieren und deren Widerstandsfähigkeit gezielt und strategisch zu stärken.
Der folgende Artikel führt Sie durch die zentralen Risikobereiche und zeigt Ihnen, wie Sie diese systematisch für Ihr Unternehmen bewerten und absichern können. Das Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die bevorstehenden Audit-Schritte.
Inhaltsverzeichnis: Ein Audit-Leitfaden für Ihr Lieferketten-Risikomanagement
- Welche Frühwarnsignale in der Bilanz Ihres Spediteurs sollten Sie alarmieren?
- Was passiert, wenn Hacker das Lagerverwaltungssystem Ihres Dienstleisters lahmlegen?
- Haftungshöchstgrenzen: Warum Ihre Warentransportversicherung bei Grossschäden nicht zahlt
- Wie beeinflussen Zölle und Handelskriege Ihre Beschaffung aus Fernost?
- Lagerbestand vs. Cashflow: Was haben wir aus den Lieferengpässen der letzten Jahre gelernt?
- Das Risiko der „Billig-Spedition“: Welche Klauseln im Kleingedruckten gefährlich sind
- Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Kunde nicht auf einer internationalen Blacklist steht?
- Import- und Exportbestimmungen Schweiz: Was ist verboten und was braucht eine Bewilligung?
Welche Frühwarnsignale in der Bilanz Ihres Spediteurs sollten Sie alarmieren?
Die Stabilität eines Lieferanten beginnt mit seiner finanziellen Gesundheit. Ein Partner am Rande der Insolvenz stellt ein unkalkulierbares Risiko dar, da er jederzeit ausfallen oder die Qualität seiner Dienstleistungen drastisch reduzieren kann. Die aktuelle Marktlage im Schweizer Transportsektor unterstreicht diese Gefahr: Eine Beobachtung aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Zahl der Insolvenzen und Geschäftsaufgaben im Transportsektor zunimmt, während Neugründungen kaum Kapazitäten schaffen. Dies verdichtet den Markt und erhöht den Druck auf bestehende Akteure.
Eine forensische Prüfung der Finanzen Ihrer Schlüsselpartner ist daher kein Misstrauensvotum, sondern ein fundamentaler Teil des Risikomanagements. Es geht darum, die finanzielle Fragilität frühzeitig zu erkennen. In der Schweiz ist ein entscheidendes und leicht zugängliches Instrument dafür der Betreibungsauszug. Er ist der erste und wichtigste Indikator für Zahlungsschwierigkeiten.
Achten Sie nicht nur auf das Vorhandensein von Betreibungen, sondern analysieren Sie deren Muster. Eine einzelne, schnell erledigte Betreibung mag unbedeutend sein. Eine Häufung von Einträgen, insbesondere wenn Rechtsvorschläge erhoben wurden, deutet jedoch auf ernsthafte Liquiditätsprobleme hin. Für einen umfassenden Einblick sollten Sie diesen Prozess in Ihre regelmässigen Lieferantenbewertungen integrieren.
Die systematische Überprüfung der finanziellen Stabilität Ihrer Partner ist ein entscheidender Schritt. Folgende Punkte sollten Sie bei der Interpretation eines Schweizer Betreibungsauszugs beachten:
- Auszug anfordern: Bestellen Sie den aktuellen Betreibungsauszug beim zuständigen Betreibungsamt oder online. Die Kosten sind mit 17 bis 30 Franken minimal im Vergleich zum potenziellen Schaden.
- Zeitraum analysieren: Achten Sie auf alle Einträge der letzten fünf Jahre. Jede einzelne Betreibung ist ein potenzielles Warnsignal für Zahlungsschwierigkeiten.
- Status prüfen: Unterscheiden Sie zwischen laufenden und erledigten Verfahren. Wurde ein Rechtsvorschlag erhoben, deutet dies auf einen bestrittenen Anspruch hin. Wurde die Forderung bezahlt, ist das Risiko geringer.
- Häufung bewerten: Eine Konzentration von Betreibungen innerhalb eines kurzen Zeitraums ist ein äusserst kritisches Signal für akute Liquiditätsengpässe.
- Rechtsform beachten: Bei juristischen Personen wie einer AG oder GmbH sind insbesondere frühere Konkurse oder ausgestellte Verlustscheine absolute rote Flaggen.
Diese proaktive Finanzprüfung ermöglicht es Ihnen, rechtzeitig das Gespräch zu suchen, Sicherheiten zu verlangen oder eine schrittweise Umschichtung auf alternative Dienstleister einzuleiten, bevor der Totalausfall eintritt.
Was passiert, wenn Hacker das Lagerverwaltungssystem Ihres Dienstleisters lahmlegen?
In einer digitalisierten Lieferkette ist die Abhängigkeit von IT-Systemen eine der grössten, oft unterschätzten Schwachstellen. Ein Cyberangriff auf das Lagerverwaltungssystem (WMS) oder Transportmanagementsystem (TMS) Ihres Logistikpartners kann Ihre gesamte Operation von einer Minute auf die andere zum Erliegen bringen. Plötzlich sind keine Bestandsdaten mehr verfügbar, Kommissionierprozesse stoppen, und der Warenfluss bricht zusammen. Dieses «stille Risiko» ist real und kostspielig, wie eine Schweizer Studie zeigt: Obwohl «nur» 4% der befragten Schweizer KMU in den letzten drei Jahren Opfer schwerwiegender Cyberangriffe wurden, entstanden bei 73% davon erhebliche finanzielle Schäden. Alarmierend ist, dass 40% über keinen Notfallplan verfügen.
Die Konsequenzen eines solchen Angriffs sind verheerend. Ohne digitale Steuerung muss der Betrieb auf manuelle Prozesse umgestellt werden – mit Papierlisten und manueller Koordination. Dies führt zu massiven Effizienzverlusten, Fehlern und Verzögerungen. Die Wiederherstellung der Systeme kann Tage oder sogar Wochen dauern, in denen Ihre Lieferfähigkeit massiv eingeschränkt ist. Für den Angreifer ist Ihr Dienstleister nur ein Ziel; für Sie steht die Existenz Ihres Geschäfts auf dem Spiel.
Als Auditor Ihrer Lieferkette müssen Sie die Cyber-Resilienz Ihrer Partner genauso rigoros prüfen wie deren Finanzen. Die entscheidende Frage lautet: Verfügt der Dienstleister über einen robusten und getesteten Notfall- und Wiederherstellungsplan? Existieren redundante Systeme oder ein Plan für den manuellen Fallback-Betrieb, der über ein paar ausgedruckte Listen hinausgeht?

Wie dieses Bild andeutet, ist in einer Krise eine schnelle und koordinierte Reaktion entscheidend. Ein guter Partner kann Ihnen nachweisen, dass er regelmässig Krisenszenarien durchspielt, seine Mitarbeiter schult und in Backup-Lösungen investiert. Fordern Sie Nachweise über Zertifizierungen (z. B. ISO 27001), durchgeführte Penetrationstests und die Existenz eines Krisenreaktionsteams. Die Antwort auf einen Cyberangriff darf keine Improvisation sein.
Letztlich ist die Investition Ihres Partners in Cybersicherheit eine direkte Investition in Ihre eigene operative Stabilität. Ein Partner, der hier spart, setzt fahrlässig Ihre Lieferkette aufs Spiel.
Haftungshöchstgrenzen: Warum Ihre Warentransportversicherung bei Grossschäden nicht zahlt
Viele Unternehmen wiegen sich in falscher Sicherheit, weil sie eine Warentransportversicherung abgeschlossen haben. Sie gehen davon aus, im Schadensfall vollumfänglich abgesichert zu sein. Doch die Realität ist komplexer. Ein entscheidender, oft übersehener Aspekt sind die gesetzlichen und vertraglichen Haftungshöchstgrenzen der Spediteure. Diese begrenzen die Entschädigungssumme auf einen Betrag, der oft nur einen Bruchteil des tatsächlichen Warenwerts ausmacht. Ihre eigene Versicherung zahlt dann möglicherweise nur die Differenz oder im schlimmsten Fall gar nicht, wenn bestimmte Klauseln greifen.
Die Haftung im Transportwesen ist kein einheitliches Feld, sondern ein Flickenteppich aus verschiedenen Regelwerken. Besonders in der Schweiz, einem Transitland im Herzen Europas, ist das Verständnis dieser Regelungen entscheidend. Die Haftungsgrenzen variieren stark, je nachdem, ob es sich um einen nationalen oder internationalen Transport handelt.
Der folgende Überblick zeigt die wichtigsten Haftungsgrundlagen, die für Schweizer Unternehmen relevant sind. Wie eine vergleichende Analyse der Transportregelungen verdeutlicht, gibt es erhebliche Unterschiede, die im Schadensfall matchentscheidend sind.
| Regelung | Anwendungsbereich | Haftungshöchstgrenze | Besonderheiten |
|---|---|---|---|
| CMR | Internationale Strassentransporte | 8,33 SZR/kg | Gilt für grenzüberschreitende Transporte |
| Schweizer OR | Nationale Transporte | Variabel nach Vertrag | Individuelle Vereinbarungen möglich |
| Höhere Gewalt | Alpenpässe/Naturereignisse | Keine Haftung | Lawinen, Steinschlag oft ausgeschlossen |
Besonders kritisch wird es bei Ereignissen, die als «höhere Gewalt» eingestuft werden. Eine Lawine, die einen LKW am Gotthard verschüttet, oder ein Felssturz, der eine Passstrasse blockiert, kann zur vollständigen Enthaftung des Spediteurs führen. Ein weiterer vertraglicher Fallstrick ist der sogenannte Kumulschaden: Brennt ein Sammellager ab, in dem Waren vieler verschiedener Kunden lagern, können Versicherer die Gesamtleistung prozentual kürzen, was für den Einzelnen empfindliche Verluste bedeutet.
Als Einkaufsleiter müssen Sie daher nicht nur die Policen Ihrer eigenen Versicherung, sondern auch die Haftungsbedingungen Ihrer Logistikpartner forensisch prüfen. Klären Sie explizit, welche Werte deklariert werden müssen und ob für hochwertige Güter eine Zusatzversicherung notwendig ist.
Wie beeinflussen Zölle und Handelskriege Ihre Beschaffung aus Fernost?
Geopolitische Spannungen, Handelskriege und protektionistische Massnahmen sind zu einer festen Grösse im globalen Handel geworden. Für Schweizer Unternehmen, die stark in internationale Lieferketten integriert sind, stellen diese Entwicklungen ein erhebliches Risiko dar. Plötzlich verhängte Strafzölle oder neue Handelsbarrieren können die Kalkulation von Produkten aus Fernost über Nacht zunichtemachen und die Beschaffungsstrategie gefährden. Dieses Risiko wird von der Wirtschaft sehr ernst genommen: Gemäss einer Studie sehen 49% der grösseren Schweizer KMU mit über 10 Mio. Umsatz aussenpolitische Entwicklungen als eines ihrer Top-3-Konjunkturrisiken.
Anstatt diese Risiken passiv zu erdulden, können Schweizer Unternehmen ihre einzigartige Position strategisch nutzen. Die Schweiz ist Teil der EFTA und verfügt über ein breites Netz an Freihandelsabkommen, das sich von dem der EU unterscheidet. Dies eröffnet Möglichkeiten, Zölle zu umgehen und die Lieferkette widerstandsfähiger zu gestalten. Eine proaktive Analyse Ihrer Warenströme kann aufdecken, ob ein Direktimport aus einem EFTA-Partnerland zolltechnisch günstiger ist als der Umweg über einen Hub in der EU.
Die strategische Nutzung dieser Vorteile erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und Dokumentation. Es ist kein automatischer Prozess, sondern eine bewusste unternehmerische Entscheidung, die eine genaue Kalkulation und Kenntnis der Regularien voraussetzt. Die folgenden Schritte sind Teil eines solchen strategischen Audits:
- Freihandelsabkommen prüfen: Analysieren Sie systematisch, welche EFTA-Abkommen für Ihre wichtigsten Beschaffungsländer existieren.
- Zollsätze vergleichen: Kalkulieren Sie die effektiven Kosten eines Imports über die EU (inkl. EU-Zöllen) im Vergleich zu einem Direktimport unter Nutzung eines EFTA-Abkommens.
- Ursprungsnachweise sichern: Eine lückenlose und korrekte Dokumentation der Warenursprünge ist die zwingende Voraussetzung, um von Präferenzzöllen profitieren zu können.
- Währungsrisiken einkalkulieren: Betrachten Sie Schwankungen des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro und anderen Währungen als eine Art «versteckten Zoll», der in die Gesamtkostenrechnung einfliessen muss.
- Nearshoring-Optionen evaluieren: Prüfen Sie, ob eine Verlagerung der Produktion in nahegelegene Länder (z.B. Osteuropa) unter Berücksichtigung der Verzollungskosten an den EU-Aussengrenzen eine sinnvolle Alternative darstellt.
Indem Sie die Zoll- und Handelslandschaft als strategisches Feld begreifen und nicht als gegebenes Übel, verwandeln Sie ein Risiko in einen potenziellen Wettbewerbsvorteil für Ihr Schweizer Unternehmen.
Lagerbestand vs. Cashflow: Was haben wir aus den Lieferengpässen der letzten Jahre gelernt?
Die globalen Lieferkettenkrisen der letzten Jahre haben eine alte Debatte neu entfacht: «Just-in-Time» versus «Just-in-Case». Während schlanke Prozesse und minimale Lagerbestände lange als Ideal galten, hat die Erfahrung von Produktionsstopps wegen fehlender Teile viele Unternehmen zu einem Umdenken gezwungen. Die Erhöhung der Lagerbestände zur Steigerung der Versorgungssicherheit scheint die logische Konsequenz. Doch dieser Ansatz hat einen hohen Preis: Er bindet massiv Kapital, erhöht die Lagerkosten und belastet den Cashflow – eine Kennzahl, die für die finanzielle Stabilität eines Unternehmens entscheidend ist.
Für Schweizer Unternehmen besteht die Herausforderung darin, die richtige Balance zwischen Verfügbarkeit und Kapitaleffizienz zu finden. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine differenzierte Lagerstrategie, die sich an der Kritikalität der jeweiligen Güter orientiert. Globale Logistikführer wie das Schweizer Unternehmen Kühne + Nagel zeigen, wie strategische Positionierung funktioniert: Trotz eines schwierigen Marktumfelds konnte das Unternehmen 2024 seinen Umsatz durch eine gezielte Expansion und die Nutzung strategischer Hubs steigern.
Eine intelligente Strategie könnte darin bestehen, für unkritische C-Teile weiterhin auf Effizienz zu setzen, während für strategisch wichtige A-Teile gezielt Puffer aufgebaut werden. Moderne Lagerstrategien bieten hier flexible Lösungen, die über das simple «Mehr einlagern» hinausgehen.

Eine besonders elegante Lösung ist das Konsignationslager. Hierbei lagert der Lieferant seine Ware direkt bei Ihnen oder in einem nahegelegenen Hub, bleibt aber bis zur Entnahme durch Sie der Eigentümer. Sie haben sofortigen Zugriff und zahlen erst bei Verbrauch, was Ihren Cashflow schont und gleichzeitig die Verfügbarkeit maximiert. Andere Ansätze wie das «Postponement», bei dem Produkte so lange wie möglich in einem neutralen Zustand gehalten und erst kurz vor Auslieferung fertig konfiguriert werden, erhöhen die Flexibilität, ohne die Bestände für jede einzelne Variante vorhalten zu müssen.
Die Lehre aus den Krisen ist nicht, die Prinzipien der schlanken Logistik über Bord zu werfen, sondern sie intelligent und risikoadaptiert anzuwenden. Eine differenzierte Lagerstrategie ist ein zentraler Baustein operativer Resilienz.
Das Risiko der „Billig-Spedition“: Welche Klauseln im Kleingedruckten gefährlich sind
Im Einkauf ist der Preisdruck allgegenwärtig. Die Verlockung, sich für den günstigsten Transportanbieter zu entscheiden, ist gross. Doch gerade in der Logistik kann der scheinbar billigste Anbieter schnell zum teuersten werden. Der Kostendruck im Transportsektor ist enorm, eine Entwicklung, die durch deutlich gestiegene Personal- und Betriebskosten in den letzten Jahren angetrieben wird, wie Marktbeobachter bestätigen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, verstecken einige Anbieter Kosten in schwer verständlichen Klauseln ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder sparen an servicekritischen Stellen.
Diese vertraglichen Fallstricke sind oft erst im Problemfall sichtbar. Plötzlich werden unerwartete Dieselzuschläge, unklare Nebenkosten für die Leistungs- und Schwerverkehrsabgabe (LSVA) oder überhöhte Standgelder fällig. Im schlimmsten Fall offenbaren die AGB Haftungsausschlüsse oder Gerichtsstandsklauseln im Ausland, die eine Rechtsdurchsetzung in der Schweiz praktisch unmöglich machen. Der Preisvorteil ist dann schnell aufgebraucht und durch administrative Mehrkosten und rechtliche Risiken überkompensiert.
Ein seriöser Spediteur zeichnet sich durch transparente und faire Vertragsbedingungen aus. In der Schweiz bieten die Allgemeinen Bedingungen von SPEDLOGSWISS einen guten und weithin akzeptierten Standard, an dem sich andere AGB messen lassen müssen. Eine forensische Prüfung der Verträge Ihrer potenziellen und bestehenden Logistikpartner ist daher unerlässlich. Achten Sie auf vage Formulierungen, pauschale Verweise und unklare Definitionen.
Ihre Checkliste zur Prüfung von Spediteur-AGB
- Standardvergleich: Vergleichen Sie die vorgelegten AGB mit den Standardbedingungen von SPEDLOGSWISS. Weichen sie stark ab, ist Vorsicht geboten.
- Versteckte Kosten: Prüfen Sie Klauseln zu variablen Zuschlägen wie Diesel- oder LSVA-Pauschalen. Sind diese klar und nachvollziehbar berechnet?
- Gerichtsstand kontrollieren: Der vereinbarte Gerichtsstand muss zwingend in der Schweiz liegen, um Ihre Rechtsposition zu sichern.
- Haftungsdefinitionen prüfen: Achten Sie auf präzise und faire Haftungsregelungen. Vage Formulierungen wie «branchenüblich» sind ein Warnsignal.
- Alpentransit-Gebühren ausweisen: Lassen Sie Gebühren für den Alpentransit oder andere spezifische Wegkosten explizit und separat im Angebot ausweisen.
Die Wahl eines Logistikpartners ist eine strategische Entscheidung, die weit über den reinen Preisvergleich hinausgeht. Ein zuverlässiger Partner mit fairen Konditionen ist ein entscheidender Faktor für die Stabilität Ihrer Lieferkette.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Kunde nicht auf einer internationalen Blacklist steht?
Das Risikomanagement in der Lieferkette endet nicht beim Wareneingang; es erstreckt sich auch auf die Vertriebsseite. Der Verkauf von Waren an Personen, Unternehmen oder Länder, die auf einer Sanktionsliste stehen, stellt für Schweizer Unternehmen ein massives rechtliches und finanzielles Risiko dar. Die zuständige Behörde in der Schweiz, das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), setzt internationale Sanktionen um und führt eigene, spezifische Listen. Ein Verstoss kann zu empfindlichen Bussen, dem Entzug von Exportbewilligungen und erheblichem Reputationsschaden führen.
Besonders alarmierend ist die persönliche Haftung: Geschäftsführer und Verwaltungsräte können bei Verstössen gegen Sanktionsbestimmungen persönlich zur Rechenschaft gezogen werden. Unwissenheit schützt hier nicht vor Strafe. Ein weiteres, subtiles Risiko ist das sogenannte «Transshipment». Dabei bestellt ein unverdächtiger Schweizer Kunde Ware, leitet diese aber wissentlich oder unwissentlich in ein sanktioniertes Endbestimmungsland weiter. Als ursprünglicher Exporteur können Sie auch hier in die Haftung genommen werden.
Ein systematischer Due-Diligence-Prozess für jeden Neukunden ist daher keine Option, sondern eine Pflicht. Dieser Prozess muss dokumentiert werden, um im Falle einer Prüfung nachweisen zu können, dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind. Die Überprüfung muss über eine einfache Google-Suche hinausgehen und offizielle Datenbanken und Dokumente einbeziehen.
Ein robuster Prozess zur Überprüfung von Neukunden umfasst die folgenden wesentlichen Schritte, um Compliance sicherzustellen:
- Handelsregisterauszug anfordern: Prüfen Sie die offizielle Registrierung des Unternehmens sowie die zeichnungsberechtigten Personen.
- SECO-Sanktionslisten-Abgleich: Führen Sie einen systematischen Abgleich des Kundennamens und der wirtschaftlich Berechtigten mit den aktuellen Sanktionslisten des SECO durch.
- Wirtschaftliche Eigentümer identifizieren: Klären Sie ab, wer die letztendlichen Eigentümer («Ultimate Beneficial Owner») des Kundenunternehmens sind, um verschleierte Strukturen aufzudecken.
- Endverwendungserklärung einholen: Bei kritischen Gütern (sog. Dual-Use-Güter) ist eine schriftliche Erklärung des Kunden über den finalen Verwendungszweck der Ware unerlässlich.
- Dokumentation archivieren: Halten Sie alle Prüfschritte und Ergebnisse schriftlich fest. Diese Dokumentation ist Ihr wichtigster Schutz bei einer späteren Compliance-Prüfung.
Dieser Prüfprozess schützt nicht nur Ihr Unternehmen vor rechtlichen Konsequenzen, sondern sichert auch die Integrität und den guten Ruf Ihrer Marke im internationalen Handel.
Das Wichtigste in Kürze
- Finanzielle Stabilität prüfen: Ein regelmässiger Check des Betreibungsauszugs Ihrer Hauptlieferanten ist das wichtigste Frühwarnsystem.
- Verträge forensisch auditieren: Versteckte Kosten und unfaire Haftungsklauseln in den AGB sind oft ein grösseres Risiko als der Angebotspreis.
- Compliance sicherstellen: Die systematische Überprüfung von Lieferanten und Kunden gegen SECO-Sanktionslisten ist unerlässlich, um persönliche Haftung zu vermeiden.
Import- und Exportbestimmungen Schweiz: Was ist verboten und was braucht eine Bewilligung?
Die Komplexität des Risikomanagements wird durch ein dichtes Netz an nationalen und internationalen Vorschriften weiter erhöht. Für Schweizer Unternehmen sind nicht nur die eigenen, strengen Import- und Exportbestimmungen relevant, sondern zunehmend auch die Gesetze ihrer wichtigsten Handelspartner. Ein prominentes Beispiel ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit dem 1. Januar 2024 auch für Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmern gilt. Wie eine Analyse der Auswirkungen zeigt, sind besonders Schweizer KMU mit engen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland betroffen, da sie als Zulieferer in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen und plötzlich weitreichende Sorgfaltspflichten nachweisen müssen. Ein ähnliches Gesetz auf EU-Ebene ist bereits in Planung.
Gleichzeitig gelten in der Schweiz selbst spezifische, strenge Vorschriften für den Export bestimmter Güter. Diese gehen oft über internationale Standards hinaus und erfordern separate Bewilligungen von verschiedenen Bundesämtern. Der Export von scheinbar harmlosen Produkten kann bewilligungspflichtig sein, wenn diese als «Dual-Use»-Güter eingestuft werden, also sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Dies betrifft insbesondere High-Tech-Branchen wie die Maschinenindustrie.
Die folgende Übersicht zeigt beispielhaft, welche Branchen in der Schweiz besonders von Bewilligungspflichten betroffen sind und welche Behörden zuständig sind. Die Kenntnis dieser spezifischen Anforderungen ist für ein konformes Exportgeschäft unerlässlich.
| Branche | Kritische Produkte | Zuständige Behörde | Besonderheiten |
|---|---|---|---|
| Maschinenindustrie | Dual-Use Präzisionswerkzeuge | SECO | Militärische Nutzung möglich |
| Uhrenindustrie | Edelmetall-Uhren | Edelmetallkontrolle | Punzierungsgesetz beachten |
| Pharma/Chemie | Heilmittel, Chemikalien | Swissmedic | Doppelte Kontrolle erforderlich |
Als Einkaufs- oder Logistikverantwortlicher müssen Sie daher auf zwei Fronten agieren: Sie müssen die Compliance-Anforderungen Ihrer Kunden in der EU erfüllen und gleichzeitig die strengen Schweizer Ausfuhrbestimmungen lückenlos einhalten. Ein Versäumnis an einer dieser Fronten kann den Warenfluss blockieren und zu rechtlichen Konsequenzen führen.
Ein proaktives Compliance-Management, das sowohl interne als auch externe Vorschriften berücksichtigt, ist somit ein zentraler Pfeiler einer resilienten und zukunftsfähigen Supply-Chain-Strategie.
Häufig gestellte Fragen zum Supply Chain Risk Management in der Schweiz
Sind Schäden durch Alpensperrungen gedeckt?
In der Regel nicht. Sperrungen wichtiger Alpenpässe wie dem Gotthard oder San Bernardino aufgrund von Lawinen oder Steinschlag werden von Spediteuren und Versicherern meist als «höhere Gewalt» eingestuft. In diesem Fall ist die Haftung des Transporteurs oft ausgeschlossen, und Ihre Warentransportversicherung greift möglicherweise ebenfalls nicht.
Was bedeuten Kumulschaden-Zuschläge?
Ein Kumulschaden tritt auf, wenn ein einziges Ereignis (z.B. ein Brand in einem Sammellager) die Waren vieler verschiedener Eigentümer beschädigt. Wenn die Gesamt-Schadenssumme die Versicherungssumme des Lagerhalters übersteigt, können Schweizer Versicherer die Entschädigungsleistungen für alle Betroffenen prozentual kürzen. Sie erhalten dann nur einen Teil Ihres Schadens ersetzt.
Welche Listen muss ich als Schweizer KMU prüfen?
Primär sind die Sanktionslisten des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) massgebend. Diese umfassen nicht nur die Sanktionen internationaler Organisationen wie der UNO oder der EU, sondern können auch spezifische, von der Schweiz autonom verhängte Embargos enthalten. Die SECO-Listen sind daher die wichtigste Referenz für die Compliance-Prüfung.
Was ist das Risiko des ‚Transshipment‘?
Transshipment beschreibt den Vorgang, bei dem Ihre Waren über einen scheinbar unverdächtigen Kunden (z.B. in der Schweiz) in ein tatsächlich sanktioniertes Land weitergeleitet werden. Dies stellt einen indirekten Export dar. Als ursprünglicher Lieferant können Sie für diesen Verstoss haftbar gemacht werden, wenn Sie Ihre Sorgfaltspflicht bei der Kundenprüfung verletzt haben.
Welche persönliche Haftung besteht?
Bei Verstössen gegen Schweizer Sanktionsbestimmungen haften nicht nur das Unternehmen, sondern auch die verantwortlichen natürlichen Personen. In der Schweiz können Geschäftsführer und Verwaltungsräte persönlich für die Bussen und rechtlichen Konsequenzen belangt werden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines lückenlosen Compliance-Prozesses.